Algenteppiche im Watt
1989 war nicht nur das Jahr, in dem tote Seehunde an der Nordseeküste angeschwemmt wurden, es war auch das Jahr in dem erstmals Massen von wild wuchernden Grünalgen beobachteten wurden, die als dichte Teppiche auf dem Wattenmeer lagen und das Leben unter sich erstickten.
Der Bundesumweltminister ordnete umgehend Befliegungen der gesamten deutschen Wattenmeerküste an, um sich ein Bild von der aktuellen Lage zu machen.
Das Grünalgenprojekt
Um die weitere Entwicklung zu beobachten und den Ursachen auf den Grund zu gehen, startete im darauffolgenden Jahr ein Forschungsprojekt an der damaligen Wattenmeerstation der Biologischen Anstalt Helgoland (BAH, heute zum Alfred Wegner Institut, AWI, in Bremerhafen gehörend).
Finanziert wurde dieses Projekt vom Umweltbundesamt in Berlin.
Im Rahmen der Dokumentation des Algenvorkommens wurde in 3 Jahren die gesamte deutsche Nordseeküste insgesamt 20 Mal während Niedrigwassers überflogen. Hinzu kamen 8 Flüge zu ausgesuchten Zielen auch in Dänemark und den Niederlanden. Auch nach Abschluss des Grünalgenprojektes fanden 1993 noch weiter Befliegungen statt, an denen ich teilweise teil nahm.
Was ich mit all dem zu tun hatte
Ich hatte 1989 angefangen an der Wattenmeerstation der BAH die Freilanduntersuchungen für meine Doktorarbeit durchzuführen. Es ging dabei um Kieselalgen (Diatomeen), die wichtigsten Produzenten von Biomasse im Watt. Als man mir die Durchführung der Kartierungsflüge anvertraute, nahm ich diese Aufgabe mit Begeisterung an. Sie sollte mir einige der atemberaubensten Erlebnisse meines Leben bescheren.
Ein paar technische Eckdaten
Für die erste Befliegung im Juli 1989 hatte uns ein Helikopter der Bundeswehr vom Typ Bell 212 zur Verfügung gestanden. Dieser war ideal, um über besonders interessanten Stellen zu stehen, verursachte aber unter den Seehunden und Vögeln des Wattenmeeres große Unruhe oder sogar Panik.
Deshalb setzten wir für weitere Befliegungen Kleinflugzuge meist vom Typ Czesna 172 ein. Diese Flugzeuge haben den Vorteil, dass ihre Tragflächen oben am Flugzeug angebracht sind und damit nicht den Blick nach unten verdecken.
Normalerweise gilt über dem Wattenmeer eine minimale Flughöhe von 2000 ft (ca. 600m).
Aus dieser Höhe sind Grünalgenbüsche von Seegrassbüscheln aber nicht mehr zu unterscheiden. Deshalb hatten wir eine Ausnahmegenehmigung, um auf 500 ft (ca. 150m) zu Fliegen.
Neben dem Kartenmaterial, in das wir die aktuellen Algenvorkommen eintrugen, war bald auch ein Fotoapparat mit an Bord – meist meine gute alte Canon A1, also eine analoge Spiegelreflexkamera -, um die Lage im Watt auch fotografisch zu dokumentieren.
So entstanden zwischen 1990 und 1993 einige Tausend Dias.
Verwendet wurden unterschiedlichen handelsübliche Diafilme (Fujichrome, Ektachrome, Agfachrome).
Geburt einer stillen Liebe
Bereits bei der ersten Befliegung zogen mich die wundervollen Strukturen und Farben des Wattenmeeres in ihren Bann. Dabei war es immer nur ein kurze Augenblick, in dem die Farben ihre vollendetet Schönheit zeigten: Das satte Rostrot der Kieselalgen, neben dem hellen Beige von Muschelschill, das Türkis oder Azul der Priele und das warme Creme der Sandflächen ergaben eine aufregende Symphonie.
Und dann diese Formen: Jede Ecke des Wattenmeeres schien ihre eigenen Handschrift zu haben zwischen großzügigen Bögen und Wellen bis zu kleinen verspielt wirkenden Verästerlungen – und doch verändert sich ihr Gesicht im Verlauf des Jahres und der Jahre und in Abhängigkeit vom Wetter.
Und so begann ich neben Grünalgenteppichen auch jene wundervollen, oft abstrakt wirkenden Strukturen zu fotografieren - oder ehrlicher: mit Leidenschaft zu jagen - die ich jetzt auf dieser Website erstmals veröffentliche.